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Wie Städte soziale Mischung im Quartier fördern – Ergebnisse der difu-Studie

Städteplaner sind Phasen von Aufbruch und Ernüchterung gewohnt: strukturierte Planung setzt eine inhaltliche Klammer voraus, die sich in Leitbildern wiederfindet. Das urbane Leben ist allerdings ständig in Bewegung und widersetzt sich früher oder später jedem Planungsalltag. Der Funktionstrennung von gestern steht heute der Begriff der sozialen Mischung gegenüber, denn Ghettoisierung und Entmischung bedrohen das Miteinander unserer wachsenden Städte. In Westdeutschland sind dies schleichende Prozesse der jüngeren Vergangenheit. Für ostdeutsche Städten wie Leipzig geht die Freude über enormes Wachstum nach Dekaden der Schrumpfung nahtlos in soziale Unruhen über, die Ausdruck von Verdrängung sind.

Urbanität bedeutet heute, soziale und kulturelle Vielfalt bestmöglich zu organisieren. Die Frage, welche planerischen, städtebaulichen, rechtlichen und sonstigen Handlungsmöglichkeiten es für ein deutliches Mehr an Nutzungs- und sozialer Mischung aktuell gibt, untersucht eine Studie des Deutschen Institut für Urbanistik (difu).

Eigeninitiative und positives Miteinander im Netzwerken

Unter anderem zeigt sich, dass es weniger auf den Umfang von Förderprojekten, sondern besonders auf gute Ideen ankommt. Kleine und unkompliziert einsetzbare Maßnahmen können weitere Aktionen anstoßen, indem sie Anschlussprojekte (und Geldgeber) inspirieren. Wesentlich sind für viele Maßnahmen ein ausgeprägte und “eingeübte” Netzwerkstrukturen der Immobilieneigentümer und Werbegemeinschaften. Handelnde Akteure benötigen eine “gewisse Grundhaltung zur Stadt und ihrer Entwicklung”, die Eigeninitiative begünstigt. Dementsprechend können Leitbilder der Stadtentwicklung als eine Art Charta auch auf lokale Strukturen wie Quartiere heruntergebrochen und auf die planungsunabhängigen Aktivitäten bezogen werden.

Ursachen für soziale Entmischung entgegenwirken

Leipzig Möckern: am dem öffentlichen Platz macht sich die soziale Entmischung bemerkbar
Leipzig Möckern: am dem öffentlichen Platz macht sich die soziale Entmischung bemerkbar

Neben gezielter Förderung der sozialen Mischung wie etwa in Modellprojekten im Bereich Wohnen setzen die meisten Maßnahmen auf indirekte Wirkung über Stärkung einzelner Funktionen. Entgegen dem Gentrifizierungsverlauf “Künstler – Studenten – Etablierte” folgt beispielsweise in einkommensschwachen Gebieten zunächst ein Rückzug des Einzelhandels und damit einhergehend sinkende Attraktivität der Nahversorgung. Infolgedessen geraten ganze Stadtteile in soziale Schieflage, die sich dann auch im öffentlichen Raum und an den Themen Lebensqualität und Gesundheit bemerkbar macht. Entgegenwirken sollte man bereits, bevor Projekte gezielter Gesundheitsförderung im Quartier nötig sind. Instrumente der Stadtentwicklung für soziale Mischung setzen durch Zwischennutzungsagenturen für Leerstand frühzeitig an. Auch Wirtschaft und Bevölkerung können für Initiativen aktiviert werden, um in “ihrem” Stadtteil wieder Aufbruchstimmung zu verbreiten. Die Finanzierung ist meist da gewährleistet, wo ein “Potentialansatz” der zukünftigen Rolle des Quartiers besonderen Mehrwert zuschreibt.

Private Akteure als Katalysatoren durch öffentlichen Anreiz

Am erfolgreichsten verlaufen Förderprojekte, die unter der Koordination eines Quartiers- oder Magistralenmanagements auch eine gute Mischung der handelnden Akteure vereinen. Initiativen der Planungsämter fallen auf fruchtbaren Boden, wenn sie vor Ort mit Unternehmen, Vereinen und BürgerInnen gestaltet werden. Dabei sind Zielkonflikte vorprogrammiert und bestenfalls schon vorab identifiziert, um frühzeitig zu moderieren. Von der Vereinbarung mit den Eigeninteressen hängt das Engamement aller Akteure ab.

Daher ist schon bei der Anbahnung darauf zu achten, inwieweit neben der Anschubfinanzierung Motivation vorhanden ist, die Planungsziele mitzutragen. Immer wieder kann festgestellt werden, dass nach der Förderdauer einmal aktivierte Strukturen umgehend wegbrechen und nicht aufgefangen werden können. Die Nachhaltigkeit geförderte Netzwerke ist nach wie vor die größte Herausforderung im Förderalltag.

Bauliche Voraussetzungen für soziale Mischung

MietshausDie Fallstudien zeigen, dass besonders gründerzeitliche Blockbebauung in vielerlei Hinsicht die soziale Mischung begünstigt, da Eigentumsverhältnisse, Gebäudezustand, Wohnqualität und die Mischung von Erdgeschossgastronomie und Einzelhandel zum Wohnangebot heterogener ausfällt. In solchen Quartieren finden sich häufig Hinterhofflächen in handwerklicher oder künstlerischer Nutzung, die historisch und kleinteilig gewachsen sind. Hier sind heute häufig Umnutzungen durch Dienstleister aus dem Kreativ- und Medienbereich zu finden.

Nachkriegsbebauung ist insgesamt häufiger in größerer institutioneller Hand und erhöht die Zugangsbarrieren für heterogenere Eigentums- und damit auch Miet- und Nutzungsverhältnisse. Da macht es Sinn, das Angebot an Immobilien für Selbstnutzer zu erhöhen.

Soziale Mischung = soziale Stadt?

Die Studie zeigt: Mischung und Vielfalt stellen aus kommunaler Perspektive wichtige Leitgedanken der Stadtentwicklung dar. Was eine gute Mischung bedeutet, hängt zu 100 Prozent von der jeweiligen Bedingungen ab und kann mit keinem “Mischungsschlüssel” bewertet werden. Es geht stattdessen um die Zugänglichkeit von Quartieren, Freiheit des Wohnens und die Verbindungen zwischen den Teilen und Bevölkerung der Stadt. Besonders zu erwähnen ist, dass die Stärkung sozialer Mischung bis auf Einzelfälle verringert und weniger neue entstehen lässt.

Die „soziale Mischung“ ist gerade in den Quartieren mit einseitig einkommensschwachen Haushalten ein bedeutendes Thema der Stadtplanung. Dagegen nimmt dessen Bedeutung in den anderen Quartieren ab. Umso wichtiger ist es langfristig aus überstädtischer Perspektive, die soziale Mischung innerhalb der Städte jetzt mit geeigneten Mitteln zu forcieren. Andernfalls sorgen die Tendenzen in allen Ballungsgebieten und Städten mit Zuwachsraten dafür, dass sich einkommensschwächere nicht mehr nur bestimmte Quartiere, sondern gar kein Wohnen in der Stadt leisten können.

Quelle: Nutzungsmischung und soziale Vielfalt im Stadtquartier – Bestandsaufnahme, Beispiele, Steuerungsbedarf