Liebling, ich hab’ die Gemeinden geschrumpft!

Am demographischen Wandel kommt zur Zeit kaum ein Gesellschaftsthema vorbei. Ob Migration von Heimatvertriebenen und Arbeitsuchenden, Landflucht der jungen Bevölkerung oder Verdrängungseffekte innerhalb unserer Großsstädte, die Bevölkerung ist in Bewegung. Die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien und anderen Teilen der Welt hat medial größte Aufmerksamkeit, aber die Dynamik von wachsenden Großsstädten und schrumpfenden Gemeinden reicht, um bundesweit große Herausforderungen an Stadtentwicklung zu stellen.

Trotz Rückgang der Gesamtbevölkerung verzeichnen viele Metropolen und ihre umliegenden Städte Einwohnerzuwächse, während Städte und Gemeinden in ländlichen Regionen sich verkleinern. Auf beiden Seiten müssen Politik und Verwaltung die Rahmenbedigungen für eine funktionierende Gesellschaft anpassen, wobei die wachsenden Städte sich als die Gewinner fühlen. Mehr Einwohner verrichten mehr Arbeit geben mehr Geld aus zahlen mehr Steuern, lautet die einfache Rechnung.

Dabei ist Bevölkerungswachstum nicht gleich wirtschaftlicher Erfolg und Abwanderung nicht gleich Rezession, wie theoretisch häufig angenommen. Zwar gehen Bevölkerungsrückgänge häufig mit einer Negativspirale aus Arbeitskräftemangel, Integrationsschwierigkeiten, Abschwung, Arbeitslosigkeit, Auflösung der Stadtgestalt und Ausdünnung der Versorgung einher. Trotzdem ist der zugrundeliegendene Prozess mehrdimensional und mit tief greifenden Umstrukturierungen in Wirtschaft, Bevölkerung und Baustruktur und nicht als Kausalkette zu sehen. Dass BBSR-Messkonzept schlägt eine Typisierung vor, mithilfe derer Städte und Gemeinden die eigene Situation verorten und mit einer Strategieanpassung darauf reagieren können.

Die wesentlichsten Kriterien sind dabei:

  • Best-Practice-Beispiele von Städten ähnlichen Typus als Orientierung
  • konjunkturbereinigtes Denken
  • Innovation statt Resignation
  • strukturelle Kooperation mit Partnerstädten
  • integriertes Standortmarketing

Trotz größter Anstrengung wird es phasenweise immer “Verlierer” der Bevölkerungsentwicklung geben. Um die Folgen für die Menschen abzumildern wird unbedingt Unterstützung nötig sein. Hierzu können neben der Städtebauförderung, dem ELER- und Leader-Programm, um einige der möglichen Fördertöpfe zu nennen, auch Modellprojekte und der Experimentelle Städtebau Bewältigungsstrategien aufzeigen. Beispielhaft seien hier erwähnt das Aktionsprogramm für regionale Daseinsvorsorge, Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen, Umwandlung von Nichtwohngebäuden in Wohnimmobilien oder Anpassung des Gebäudebestandes vor dem Hintergrund des demographischen Wandels.

Daher heißt es besonders für die “Gewinner” der Bewegungen, genau hinzusehen, um auch in der Hysterie des Aufbruchs Fehler zu vermeiden. Spätestens in einer Konsolidierungsphase wird schnell bewusst, wo unnötig Ressourcen verheizt und Möglichkeiten zur Steuerung verpasst wurden. Denn erst Recht diese Mittel fehlen allen, die sich einer Abwärtsspirale ausgesetzt sehen.

 

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BBSR-Analyse “Wachsen oder schrumpfen?”